Meine persönliche Begeisterung für die Regierungsbeteiligung der Grünen im Jahr 2019 war zugegeben sehr zurückhaltend. Was kann eine kleine Partei gemeinsam mit einer konserativen Machtpartei erreichen, wieviel Federn muss sie dabei lassen?
Ein Blick zurück in das Jahr 2016. Christian Kern (SPÖ) und Reinhard Mitterlehner (ÖVP) und der damalige Außenminister Sebastian Kurz. Schon damals hatte die Regierung umfassende Reformen im Bereich Steuern und Kinderbetreuung vor. Bundeskanzler Kern wollte im Juni 2016 1,2 Milliarden Euro in die Nachmittagsbetreuung an Schulen stecken, Mitterlehner schien einverstanden. Damit sollte in ganz Österreich kostenlose Nachmittagsbetreuung an Schulen eingeführt werden – samt Rechtsanspruch für jedes Kind.
Kurz: „Kann ich ein Bundesland aufhetzen?“
Doch Sebastian Kurz wollte an die Spitze der ÖVP. Öffentlich gewordene Chats zeigen, wie Kurz als Außenminister Reformen in der Bildungs- und Steuerpolitik blockierte und innerhalb der eigenen Partei intrigierte. Mit Erfolg. „Projekt Ballhausplatz“ brachte Kurz zuerst an die ÖVP-Spitze und nach den Wahlen 2017 war er Bundeskanzler. Mit der FP brachte er den Rechtspopulismus in die gesellschaftliche Mitte. Tja, dann kam Ibiza. Nach den Neuwahlen 2019 saßen die Grünen mit den türkisen Schwarzen bei den Koalitionsverhandlungen. Die Grünen wollten endlich Regierungsverantwortung, wollten etwas für Österreich weiterbringen. Doch ich fragte mich, wie soll das funktionieren mit einer Partnerin, deren oberste Spitze scheinbar jedes Mittel recht war, um an die Macht zu gelangen?
Regierungsarbeit
Anfang 2020 wurde das Arbeitsübereinkommen präsentiert und ich war überrascht. Die Grünen haben hart verhandelt und es steckte viel, sehr viel Grünes im Koalitionspapier. Aber auch viel türkise Grauslichkeiten zum Thema Migrations- und Flüchtlingspolitik. Aber die Grünen arbeiteten weiter, trotz eines Bundeskanzler Kurz, der ungeniert Erfolge, die die Grünen mit viel Beharrlichkeit durchgesetzt haben, als eigene Taten verkaufte (Vervierfachung des Auslandskatastrophenfonds, ORF-Sommergespräche).
Generell sehe ich das, was die Grünen am Verhandlungstisch verhinderten oder entschärften als genauso wichtig für Österreich wie die Durchsetzung der eigenen Positionen.
Viele Themen in den Bereichen Sicherheits-, Sozial- und Gesundheitspolitik hätten ohne grüne Gegenstimmen im Hinterzimmer ganz anders ausgesehen. Apropos verhindern: Die Forderung nach einer „untadeligen Person“ als Kanzler 2021 in Richtung von Sebastian Kurz und den Rückzug von Kurz als Kanzler und seine spätere Verurteilung habe ich persönlich gefeiert.
Zusammenfassend kann ich sagen, dass mich die Performance unserer Bundesgrünen beeindruckt hat. Vor allem der ungebrochene Arbeitswille für Österreich, während die ÖVP sich hauptsächlich für ÖVP-Sachen ins Zeug gelegt hat. Rückwirkend gesehen haben sich meine Befürchtungen als falsch herausgestellt. Wie schon anfangs erwähnt: Nachher ist man immer g'scheiter.