Jung, hipp und rechtsextrem
In vielen europäischen Ländern gewinnen rechtsextreme Gruppierungen an Popularität, auch bei jungen Menschen.
Federführend ist dabei die „Identitäre Bewegung“, die sich gerne hip und modern, aber auch offen mit rechter bis rechtsextremer Rhetorik präsentiert: Europas Grenzen sichern, die „Umvolkung“ stoppen, die Todesstrafe für ausländische Straftäter einführen u.s.w. Anfang diese Jahres referierte der Österreicher Martin Sellner in Potsdam bei einen geheimen Treffen vor AFD Angehörigen, reichen Unternehmern und Rechtsextremen offen über ein Lieblingsthema der Identitären: Remigration, die Deportation von Migrantinnen und Migranten und Menschen mit deutscher Staatsbürgerschaft und deren Kindern, die Sellner und seinen Geistesverwandten zu wenig assimiliert erscheinen. Frei nach dem Motto: „Wer Deutscher ist, bestimme ich“, sollte in Afrika eine Art Kolonie für Abgeschobene errichtet werden.
Nachdem dieses Treffen der Öffemtlichkeit bekannt wurde, kam es deutschlandweit und auch in Österreich zu Demonstrationen.
Ist das wirklich rechtsextrem oder schon ganz normal?
Seit dem 28. Juli 2021 sind die Symbole der Gruppierung Identitäre Bewegung Österreich (IBÖ) und ihrer Tarnorganisation „Die Österreicher“ (DO5) in Österreich verbotene Symbole. Martin Sellner hat sich Anfang 2023 als Leiter der rechtsextremen Bewegung zurückgezogen.
„Sollten die Identitären ein politisches Projekt haben, das aus FPÖ-Sicht „in Ordnung ist, warum soll ich das nicht unterstützen?“, so FPÖ Chef Kickl bei einem ORF Sommergespräch 2023 (Quelle).
Tatsächlich hat die FPÖ schon längst viele Inhalte der Identitären vereinnahmt – einige Positionen haben sie schon immer gemeinsam vertreten. Seit Februar 2018 darf kein Mitglied der FPÖ Oberösterreich Mitglied bei den Identitären sein bzw. dort aktiv sein.
Der oberösterreichische FPÖ-Landesparteichef Manfred Haimbuchner betonte 2019 im Ö1-“Morgenjournal“ bezüglich der IB (Identitäre Bewegung): „Ich habe keinen Grund, mich groß von allem Möglichen zu distanzieren, weil ich keine Gemeinsamkeiten habe“. 2024, bei seiner Aschermittwochrede in Ried begeisterte er sich doch für gemeinsames Gedankengut: Er griff in seiner Rede Pläne für „Remigration“ auf, die beim schon anfangs erwähnten Rechtsaußen-Geheimtreffen in Deutschland besprochen worden waren. Das Wort gefalle ihm nicht, sagte Haimbuchner. „Es ist zu kompliziert“ ... „Ausschaffung“ gefalle ihm schon besser.“
Zwar relativierte er anschließend, dass er damit nur „illegale Einwander seit 2015“ gemeint habe. Wenig später fand Herbert Kickl dann doch noch ein einfacheres Wort: „Geh-heim-Plan“.
„Ehrengast“ Harald Vilimsky, blauer EU-Spitzenkandidat der FPÖ, war von diesen Wortspielerein sicher angetan. Harald Vilimsky hat sich im März damit ausgezeichnet, dass er im Europaparlament die „freien Medien aus Österreich“ Info-Direkt, Der Eckart, der Heimatkurier, die als weit rechts stehend gelten, begrüßte.
Hauptsache dagegen sein
In Steyregg bei Linz steht das sogenannte „Castell Aurora“. Ein Haus mit blaugrauer Fassade mit einer Kneipe im Erdgeschoss. In einem Infokasten neben dem Eingang wird ein Vortrag von Götz Kubitschek beworben, dem Vordenker der sogenannten „Neuen Rechten“ und einem der Gründer des als gesichert rechtsextremistisch eingestuften Instituts für Staatspolitik in Schnellroda (Sachsen-Anhalt).
Hier in Steyregg werden die Gedanken und Konzepte der „Identitären Bewegung“ unter die Leute gebracht, sagt Uwe Sailer, ein pensionierter Kriminalbeamter, der sich in Oberösterreich gegen Rechtsextremismus engagiert. Es handele sich dabei um eine „Vermischung von Rechtsextrem-Gedankengut von AfD-Politikern, von FPÖ-Politikern und von Burschenschaften“ mit einem „Einzugsgebiet“ von der Schweiz über Deutschland, Österreich bis nach Ungarn. Mit dieser Einschätzung steht Sailer nicht allein da. In Österreich sei ein Verschmelzen von „Identitärer Bewegung“ und der Partei FPÖ vor allem seit der Corona-Pandemie zu beobachten, sagen Experten.
Besonders intensiv sei die Kooperation auf der Ebene der FPÖ-Jugendorganisation, so der Wiener Rechtsextremismus-Forscher Bernhard Weidinger - „die inzwischen wirklich aussieht, handelt, spricht wie die ‚Identitären‘“. Abgesehen von Formalien in Sachen Organisationsform sei er jedenfalls nicht mehr in der Lage, weitere Unterschiede zu benennen. Seit 2021 hat die FPÖ unter Herbert Kickl viele „identitäre Positionen“ übernommen.
Die Politikwissenschaftlerin Natascha Strobl beobachtet, dass das Wählerinnen und Wähler nicht mehr abschreckt. Unter möglichen Wählern von FPÖ und AfD gebe es einen Prozess, der „die Leute so verhetzt, so zerrüttet, dass es zunehmend einfach egal wird. Dass man zunehmend sagen kann, ‚Ja, wir sind halt Nazis, wir sind halt rechtsextrem‘. Und ob das ironisch gemeint ist oder aufgefasst wird oder nicht - allein, dass man sich in diesen Graubereich begibt, sagt schon so viel aus, weil das überhaupt nicht mehr abschreckt. Weil das ‚dagegen‘ so viel wichtiger ist als alles andere.“
Quelle: https://www.tagesschau.de/ausland/europa/oesterreich-fpoe-identitaere-100.html (Februar 2024)